Besuch von Bibliothek und Museum der Mechitaristen-Congregation am 24.6.2009

Trotz schlechtem Wetter ist der "harte Kern" unserer Gesellschaft zum Besuch der Mechitaristen in Wien VII. zusammen gekommen. Wie fastimmer gab es eine vom Vorsitzenden verschuldete Terminschwierigkeit. Wir kamen ein Stunde zu früh, was allerdings dem freundlichen Empfang durch Pater Mag. Vahan Hovagimian keinen Abbruch tat! Nach Abgabe des üblichen Obulus zeigte uns P. Vahan einen Kurzfilm über das heutige Armenien und seiner wechselhaften Geschichte. Vom großen Reich der Armenier ist nur wenig übriggeblieben. Sogar der heilige Berg der Armenier liegt heute in der Türkei. Aus religiöser Sicht zählt die Armenisch-apostolische Kirche zu einer der ältesten altorientalischen "eigenberechtigten" Kirchen, die in Armenien seit etwa 301 n. d. Z. Staatsreligion ist.

Etwas anders verhält es sich mit dem Orden der Mechitaristen, der 1701 von Mechitar von Sebasteia in Konstantinopel gegründet wordenwar.Dieser Orden kam nach einer wechselhaften Geschichte bis nach Wien. Die Mechitaristen leben nach der Regel des Hl. Benedikts. Ihre liturgische Sprache ist armenisch und ihre Liturgie ist weitgehend von der armenisch-apostolischen Kirche geprägt. Nach der Filmvorführung ging es in die Kirche, die nach Plänen von Joseph Kornhäusel <1782-1860> von Fritz Sitte errichtet worden war. Im fast verwaisten Refektorium -- es gibt nur mehr 5 Mitglieder des Ordens, die Wien tätig sind -- durften wir das Gemälde die Speisung der 5000 betrachten, welches von Vater und Sohn Schnorr von Carolsfeld 1839 geschaffen worden war. Danach ging es mit dem Aufzug in die Höhen des Gebäudes, wo wir zunächst in das Museum geführt wurden. Hier zeigte man uns liturgische Gewänder, Orientteppiche, eine Gemäldegalerie und eine winzige naturwissenschaftliche Sammlung. Letztere diente den einstigen Seminaristen des Mechitaristenklosters als Anschauungsmaterial. Das Museum erinnert noch an eine Art Wunderkamme, wie sie Fürsten und Klöster in der Barockzeit anlegten. Zuletzt führte uns Pater Vahan in die Räume der Bibliothek. Die Vorräume waren noch in Plastikfolien eingepackt, was auf umfangreiche Renovierungsarbeiten schließen lässt. Schließlich gelangten wir in den prachtvollen Bibliothekssaal. Nun waren endlich an jenen Ort, welche wie ein Magnet auf bibliophile Menschen wirkt. Die Bibliothek des Mechitharistenklosters umfasst als einzigartigen Kernbestand 3.000 armenische Handschriften (die älteste aus dem 10. Jahrhundert), 170.000 weitere Bücher zur Armenistik, 12.000 Übersetzungen und eine 80.000 Exemplare umfassende Sammlung armenischer Zeitschriften. Die armenischen Buchmaler waren für ihre Kunst und Genauigkeit weithin berühmt. Ihre Handschriften sind es heute, u. a. durch die "Kolophone": Anmerkungen am Rand, von denen man die Geschichte des Buches oder Blattes ablesen kann. Jeder Besitzer trug sich ein, dazu, weshalb und unter welchen Umständen er die Schrift erstand. So gibt es etwa eine spätmittelalterliche armenische Handschrift, die 1923 einem Mechitharistenpater auf einem Markt im Iran in die Hand gedrückt wurde - als Obsttüte. Er schickte sie nach Wien; die Spuren der Traubenkerne sind noch sichtbar. Pater Vahan zeigte uns leider nur ein Faksimile einer "uralten" armenischen Handschrift. Das Original uns vorzulegen, dürfte ihm aus konservatorischen Gründen schwer gefallen sein. Was uns beim Besuch der Bibliothek noch nicht sofort bewusst gemacht wurde, dass der Bibliotheksraum nicht mehr der Ausstattung von Joseph Kornhäusel entspricht. Es gab offenbar einen katastrophalen Regenwassereinfall, der große Sammlungsbestände und Aufbewahrungsschränke schwer beschädigte. Die Originaleinrichtung wurde nicht wieder hergestellt! Was man als außen stehender Betrachter und Liebhaber von kulturhistorischen Denkmälern zu tiefst bedauern muss.

Wenig schmeichelhaft für den Orden dürfte auch der Verdacht des Diebstahls aus den Beständen der historischen Bibliothek durch einenPriester des Ordens klingen. Das Verfahren ist noch im Laufen und muss hier nicht kommentiert werden. Nicht mehr zu besichtigen ist die einstige Druckerei des Ordens, der drei Jahrhundert lang die armenische Kultur pflegte. Heute wird in Jerewan, in der Hauptstadt Armeniens, gedruckt.

Wikipedia würdigt die Wirkung des Ordens so:

Die Mechitaristen sind bekannt für ihre Beiträge zur armenischen Philologie, Literatur, Bildung und Kultur sowie für die Veröffentlichung früher armenisch-christlicher Manuskripte. Sie waren die wesentlichen Protagonisten, die die Renaissance der armenischen Kultur und Bildung (Schulerziehung) in der Neuzeit beförderten. Aufgrund ihrer Kenntnisse des Orients und Okzidents waren sie in der Geschichte auch Brückenbauer und Berater für Fragen, die den Dialog und Umgang untereinander betreffen.

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